Die Philosophie hat lange Zeit das Thema Perspektivität und den Perspektivismus eng mit Nietzsche assoziiert und vielfach mit dem Relativismus identifiziert. Aktuelle Forschungen zeigen aber, dass dieses reduzierte Bild korrigiert werden muss. Perspektivität kann als Grundstruktur der menschlichen Erkenntnis aufgefasst und darüber hinaus als zentraler Begriff einer starken Epistemologie des gegenwärtigen Pluralismus eingesetzt werden. Als Gegenstand der Philosophiegeschichte sind Theorien der Perspektivität weder unerforscht noch unbekannt. Allerdings bewegt sich der gegenwärtige Diskurs in einer spürbaren Distanz zu seiner Vorgeschichte. Die Forschung hat sich nur selten um einen historischen Abgleich mit den verschiedenen Epochen und Traditionen des perspektivischen Denkens bemüht.
Der vorliegende Band will dazu beitragen, diese Lücke zu schließen, indem er mittelalterliche, moderne und gegenwärtige Perspektivismen bzw. Standpunktlehren historisch-systematisch gegeneinanderstellt. Diese Konfrontation setzt methodologisch einen gemeinsamen Begriff und eine heuristische Definition des Forschungsgegenstandes voraus. Eine solche Definition soll sich dabei selbst auf eine perspektivische Art und Weise bilden, weil sich ein eindeutiges ,Wesen‘ der Perspektivität nicht dogmatisch und völlig ahistorisch postulieren lässt. Unsere Forschung nimmt daher die Vielfalt der möglichen Standpunkte auf ihr Objekt, die Perspektivität, in den Blick, und zwar durch philosophiegeschichtliche Analysen ihrer spekulativen Leistungsfähigkeit, ihrer phänomenologischen Relevanz und ihrer systematischen Effekte.
Die Herausgeber:
Christoph Asmuth ist außerplanmäßiger Professor am Institut für Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte der TU Berlin. Quentin Landenne ist Gastprofessor an der Université Saint-Louis Bruxelles und Forscher im Prospéro Zentrum (USL-B) und im Centre de Théorie Politique (ULB).